Kunsthorste für Graureiher
- eine Erfolgsgeschichte -
Text und Fotos von unserem Vereinsmitglied
Burkhard Lehmann
Veranlassung
Die Entwicklung des Brutbestandes des Graureihers (Ardea cinerea) in Sachsen-Anhalt ist stark rückläufig. Von 2.500 Paaren im Jahr 2001 ging der Bestand auf 775 Paare im Jahr 2018 zurück (Fischer & Dornbusch 2020). Die Ursachen sind vielfältig, der Verlust an geeigneten Brutplätzen durch das klimabedingte Absterben der Brutbäume sowie das Ausnehmen der Gelege durch Waschbären gehören aber zu den wichtigsten.
Herausforderung
Ein möglicher Ansatz, den Bestandsrückgang zu stoppen, ist die Stabilisierung von Brutkolonien, die nicht auf Bäumen brüten und für den Waschbären schlecht zugänglich sind.
Eine kleine Kolonie, die sich auf einigen wenigen abgestorbenen Bäumen inmitten der wassergefüllten Kiesgrube Burgliebenau/Lössen angesiedelt hatte, bot hier beste Voraussetzungen.
Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten gibt es in Deutschland aber bisher nicht. Warum nicht einfach Nistplattformen mit künstlichen Horsten ebenfalls im Wasser im Umfeld der Kolonie errichten?
Der Bau im Winter und bis zur Brust im Wasser stehend sowie bei einem teils sehr festen Untergrund war nicht ganz einfach. Auch die knapp 20 kg schwere Motorramme im Wasser zu handhaben, war eine Herausforderung.
Nach dem Ausprobieren verschiedener Konstruktionen haben wir uns entschieden, den Reihern „Dreizimmer-Appartements“ mit jeweils höhenversetzten Plattformen anzubieten.
Um eine möglichst hohe Langlebigkeit der Konstruktionen zu erreichen, wurden ausschließlich verrottungs- und korrosionsbeständige Materialien verwendet. Kleine Leitern sollen aus den Horsten gefallenen Jungvögeln den Wiederaufstieg ermöglichen.
Da im Umfeld nur wenige Bäume stehen, an denen die Reiher Nistmaterial gewinnen können, wurden ihnen am Ufer mehrere Transporter-Ladungen mit Zweigen „frei Baustelle“ geliefert.
Auftraggeber und Partner
Das Projekt wurde durch die Günter Papenburg AG als naturschutzrechtliche Ausgleichs-Maßnahme für die Erweiterung des Kies-Sand-Tagebaues beauftragt.
Die Umsetzung erfolgte in Kooperation mit der Firma APUS – Artenschutz - Projekt- und Service-GmbH aus Queis.
Erfolge
Von 16 im Winter 2020/21 errichteten Kunsthorsten wurden bereits 15 im Brutjahr 2021 von Graureihern genutzt. Insgesamt wurden in den Kunsthorsten 37 Jungvögel flügge.
Alle Jungtiere wurden neben den üblichen Metallringen der Vogelwarte Hiddensee zusätzlich mit Farbringen versehen, die auch aus größerer Entfernung ablesbar sind. Nach mehreren Rückmeldungen aus dem näheren und weiteren Umfeld wurde bereits im Oktober ein erster Vogel aus Spanien gemeldet. Im April 2022 erfolgte die Ablesung eines weiteren farbberingten Graureihers in Südfrankreich.
Im Winter 2021/22 haben wir weitere 35 Kunsthorste gebaut, so dass nun insgesamt 51 Plattformen zur Verfügung stehen. Wir freuen uns auf unsere alten und neuen Mieter und möglichst viele Jungvögel im Jahr 2022.